Dienstag, 2. September 2014

Besser als nix

Besser als nix | 96 Min | FSK 12 | VÖ: 21.8.14, Kino | NFP Distribution
oder: Dramödie im Musicvideostyle... endlich auch in Ostdeutschland

Ute Wieland ist in der deutschsprachigen Filmszene keine Unbekannte. Freche Mädchen und Freche Mädchen 2 kommen bevorzugt dann zum Einsatz, wenn Enddreißigerinnen mit der Familienpackung Eis vor dem Heimkino sitzen und sich nach ihrer Jugend zurücksehnen. Ihre neueste Buchverfilmung Besser als nix läuft seit dem 21. August in den deutschen Kinos. Da ich breitangekündigt zur Filmpremiere in Halle eingeladen war, kann ich mich nur dezent dafür entschuldigen, dass der Review etwas verspätet erscheint. Dafür gibt es noch einen stark bebilderten Bericht aus Halle, immerhin... besser... als... nix. Der Film versammelt nicht nur ein beachtliches Ensemble sondern wurde auch überwiegend mit mitteldeutschen Mitteln finanziert. Das ist uns wenigstens mal ein Lippenkräuseln mit Augenbrauenhochziehen wert. Ob der Film nun besser als nix, weniger als mehr oder schlecht als recht ist erzähle ich jetzt...

Story
Der 19-jährige Tom (Francois Goeske) ist ein deprimierter, arbeitsloser Jugendlicher. Er spielt mittelmäßig Fußball, hat die Schule geschmissen und trägt mehr Make Up als Daniela Katzenberger. Kurz: er verkörpert die fleischgewordene Angst vor dem verkommenen Ost-Dorfkind. Selbst in einer neubundesländlichen Kleinstadt aufgewachse sage ich an dieser Stelle: danke. Dass sein Vater (Wotan Wilke Möhring) arbeitslos ist, Alkoholiker und Fußballtrainer der lokalen Jugendmannschaft macht die Sache für Tom nicht einfacher. Neben den ganzen Figuren-Klischees mit denen das spätpubertierende Balg zu kämpfen hat, knabbert er außerdem noch an dem Tod seiner Mutter. Und weil dies alleine noch nicht reicht, verliebt er sich in die neue Referendarin Sarah. Fairerweise sei erwähnt, dass letzteres auch nicht schwer ist bei Darstellerin Anna Fischer. Auf Anraten des Arbeitsamtes fängt er beim lokalen Bestatter an zu arbeiten und beginnt sich mit Leben und Tod ganz neu auseinanderzusetzen... bis ein weiterer Todesfall ihn völlig aus der Bahn reißt.

Review
Besser als nix ist kohlrabenschwarz. In der heutigen medialen Überflutung lockt das alleine niemanden mehr hinter dem Ofen hervor aber lockt den einen oder anderen von Euch vielleicht ins Kino. Wenn dies so ist, dann solltet ihr wissen worauf ihr euch einlasst. Abseits von der Prämisse einer schwarzen Komödie, welche mit dem unverholenen Wortwitz britischer Komödien bitterböse Dialoge loslässt ist Besser als nix vor allem ein Drama.

Regisseurin Ute Wieland bleibt ihrem Stil treu und liefert Pointen in jede Richtung wenig subtil, sprich mit schnellen Zooms, Unterbrechungen in der Musik, Scratcheffekt oder alternativ einer Totalen. Wenn Hauptdarsteller Tom sagt "Bestattungsfachkraft?" und dabei die Kamera schnell heranzoomt dann weiß der Zuschauer im Zweifelsfall zumindest, dass er jetzt lachen darf. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich nicht herzhaft mitgeschmunzelt hätte.

Ellenlange Musikvideomontagen sind nicht erst seit Til Schweigers Keinohrhasen populär. Filme wie Requiem For A Dream und dergleichen definieren sich viel über ihre Musik. Kaum einer beschwert sich darüber wenn Ewan McGregors Renton, begleitet von treibenden 90s-Techno-Beats, aus dem Off Trainspotting eröffnet. Man akzeptiert es als Teil der Narration. Schottland im Umbruch, wird auch durch einen musikalischen Bruch angedeutet. Dagegen wirken viele, der unzähligen Montagen mit Goeskes Depri-Tom, selbstzweckhaft und fast etwas effekthascherisch.

Der oft überstilisierten Inszenierung steht eine durchaus solide Leistung der Darsteller gegenüber. Das nun gerade der Hauptdarsteller nicht der überzeugendste ist kann am Drehbuch liegen. Den geschminkten Depri-Goth kauft man ihm gegen Ende hin ab, bis dahin allerdings muss der Zuschauer mit sich kämpfen. Auch Wotan Wilke Möhring spielt routiniert, ist diesmal allerdings auch kein Eyecatcher. Vielmehr bekommen wir hier den Broken Man 101 - Rollentypus zu sehen, welchem wir schon in Männerherzen gerne zugeschaut haben. Die viel angekündigte Hannelore Elsner, quasi eine Grand Dame des deutschen Films, ist anwesend und sogar glaubhaft. Das Problem, mit welchem die meisten (Neben)Figuren zu kämpfen haben ist ihre flache Zeichnung. Gerade die Clique um Tom - unter anderem mit Emilia Schüle und Jannis Niewöhner - verkommt in Besser als nix zu einem Scherenschnitt popkultureller Jugendstereotypen a la Fack Ju Göhte. Selbst Schauspielerin Anna Fischer, welche ohne Frage ihr Handwerk bescherrscht und ...naja sollten die Polkappen abschmelzen könnte sie einer der Gründe sein - muss sich mit leicht hölzernen Dialogen herumschlagen.

Dennoch funktioniert Besser als nix als Gesamtpaket ganz gut. Auch wenn die Bestandteile mit kleinen Macken zu kämpfen haben (aber das haben wir schließlich alle) drängt sich am Ende nicht das Gefühl auf im Unklaren über irgendetwas geblieben zu sein. In der Theorie und im vollen Bewusstsein darüber jetzt den Zorn diverser Kollegen auf mich zu ziehen sage ich sogar: die einzelnen Komponenten haben Sequel- / Serial-Potential.

Fazit
Nein, Besser als nix ist nicht das Opus Magnum der Regisseurin Ute Wieland. Aber endlich mal einen deutschen Film zu sehen, der das richtige Erzähltempo findet und jugendliche Themen anschneidet ohne den mahnenden Zeigefinger zu erheben ist praktisch Gold wert. Wer sich neben Transformers 4, 22 Jump Street und Lucy einen geerdeten Film anschauen möchte, demjenigen sei Besser als nix uneingeschränkt empfohlen.

In diesem Sinne,
ReferendarinnenVorBlödenAnmachsprüchenSchützendes Cheerio und viel Spaß bei eurem nächsten Film

Trailer

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