Samstag, 31. Januar 2015

The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben

OT: The Imitation Game | 113 Min | FSK 12
VÖ: 22.01.15 (Kino)
©Square One Entertainment / DCM Film Distribution
oder: Kreuz & Queer - Ein historisch nicht ganz so korrekter Film (mit unnötig langem Zusatztitel - siehste, das nervt!) über den Vater der modernen Rechenmaschinen und wie er in der ultimaten Friendzone landete

[Wir haben es hier mit einem Wunschreview zu tun. Und obwohl dort nun das SHORTS nach Maß-Logo hängt, folgt keine Kurzrezension. Wenn Ihr mir ne grafische Lösung anbieten könnt, sagt Bescheid via Email an kopfundkino[at]gmx.de, Betreff "Wunsch-Review-Logo". Ich lasse ne DVD "Armee der Finsternis - Red Edition" springen, 'n Keks, namentliche Erwähnung im nächsten Artikel und von mir aus beschwöre ich vier japanische Elementargeister, die im Reigen um ein Bild von Dir tanzen. Ich denke die Message kam an?]

Habt Ihr Euch schonmal Gedanken über den Ursprung des Computers gemacht? Die Möglichkeit, diesen Review hier einzuhämmern, während nebenher Saving Grace von Everlast dudelt, existiert unter anderem wegen Alan Turing. Der gute Mann hat unsere Geschichte maßgeblich beeinflusst, auf vielen Ebenen - wissenschaftlich, sozial, politisch. Es verwundert daher niemanden, dass Alan Turing öfter Gegenstand der einen oder anderen künstlerischen Arbeit ist. Musikalisch setzten die Pet Shop Boys dem Genius ein Denkmal mit A Man From The Future, 2014. Die BBC versuchte sich 1996 bereits an dem Stoff mit dem Fernsehfilm Breaking the Code (dt. Der codierte Mann). Ich hab diesen Film ebenfalls - wenngleich nur in Ausschnitten - geschaut. Ein Blick lohnt sich. Die Kameraführung ist etwas holprig - vielleicht war der Kameramann der BBC emotional auch so gerührt, dass er seine Hände nicht mehr ruhig halten konnte. Derek Jacobi gibt seinem Alan Turing etwas mehr Rückrat. Ich hab mich zwischen die Hardcore-Kreuzworträtsler gemischt und folgenden Text dechiffriert - und zwar auf Wunsch der Kopf & Kino-Leserin Janette aus Magdeburg...

Story
1939. Krieg. Der introvertierte Mathematiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch) bewirbt sich um eine Stelle bei der Regierung. Ob seiner fehlenden Sozialkompetenzen und seiner arroganten Art wird er damit betraut, das System der deutschen Chiffrier-Maschine Enigma zu knacken. Nach personellen Querelen stößt unter anderem Joan Clarke (Keira Knightley) zum Team. Zwischen Turing und Clarke entwickelt sich eine besondere Beziehung. Zeitgleich gibt es Druck seitens der Regierung, welche in der von Turing entwickelten Dechiffrier-Maschine namens Christopher eine Geldverschwendung sieht und das Projekt aufgeben will.

Ein weiterer Handlungsstrang behandelt das Internats-Leben des jungen Alan Turing (Alex Lawther), seine enge Freundschaft zu einem Kommilitonen - Christopher Morcom - und die Entdeckung seiner Homosexualität, welche zu dieser Zeit noch als Strafbestand Gültigkeit hatte.

Immer wieder springen wir ins Jahr 1951 und sehen wie Turings Privatleben auch nach Kriegsende instabil bleibt.

Review
The Imitation Game ist ein Historiendrama, ein Biopic, eine Statement. Es ist Schauspielerkino - muss es sein, denn die Effekte für die Nachstellung der Kriegshandlungen locken niemanden hinter dem Ofen hervor. Benedict Cumberbatch ist seit Karrierestart ein Charakterdarsteller. Und so sind wir absolut überzeugt davon, dass da auf der Leinwand Alan Turing umherrechnet und -läuft. Dennoch kommt an einigen Stellen das Gefühl auf, Drehbuchautor Graham Moore hätte Charaktere wie Sheldon Cooper und Forrest Gump verflüssigt, eingedampft und aus dieser schrulligen Suppe seinen Wunsch-Turing destilliert. Dieser macht auf der Leinwand Spaß, lässt uns schluchzen, hoffen und zittern. Alan CumberTuring sorgt für Situationskomik. Er buhlt - ob seiner Homosexualität - stark um seine Kollegin Joan Clark. Kurz: Er funktioniert - auf einer Spielfilmebene. Es verwundert nicht, dass die Academy The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben für acht Oscars nominiert hat.

[Würde ich einen Spielfilm über beispielsweise einbeinige Schildkrötenbesamer auf Hawaii, zur Zeit des Pearl Habor-Angriffes drehen, hätte ich aber vermutlich auch gute Chancen auf die eine oder andere Nominierung.]

"Nach einer wahren Geschichte" Auch wenn dieser Satz mittlerweile der künstlerischen Freiheit untergeordnet wird, nehmen wir ihn in Bezug auf historische Ereignisse gerne für wahr. Naturgemäß ergibt sich daraus ein drolliges Problem: die Realität passt mitunter nicht zu dem fertigen Drehbuch. Natürlich bekommt es einen melancholisch-romantischen Touch, wenn die Maschine, in die das schrullige Genie sein Herzblut steckt, Christopher heißt. Fakt ist jedoch, dass diese Maschine in der Realität Turing-Bombe genannt wird. [LEICHTER SPOILER] Im Film schließt Turing eine stille Übereinkunft mit einem russischen Doppelagenten, um seine Homosexualität zu verbergen. Laut Historikerin Alex von Tunzelmann hätten Turing und der Spion in Wirklichkeit niemals zusammen gearbeitet. Ein solches Arrangement hätte Turing zum Landesverräter gemacht. [SPOILER ENDE] The Imitation Game nimmt sich die Freiheit - und das ist per se kein Verbrechen im Film - die Wirklichkeit so zu verbiegen, dass sie dem Filmstoff zuträglich wird. Ich verstehe auch, dass folgendes Insert nicht ganz so gut klingt: "Basiert so'n bisschen auf Motiven einer wahren Geschichte ... da wo es nicht stört"

Da ich ein paar Zeilen weiter oben bereits den Terminus "Schauspielerkino" eingebracht habe, lohnt es sich, auch den anderen Figuren einen Blick zu schenken. Matthew Goode spielt den Schachmeister Hugh Alexander, ein brillianter Spieler, der auf Grund seiner Fähigkeiten nach Bletchley Park geordert um dort mit Turing zusammen Enigma zu knacken. Alexander ist zwar schneller im Knacken von Frauen aber dennoch überlebenswichtig für den Film. Er bildet in der Story und auch schauspielerisch den einzigen Gegenpol zur artifiziellen Schrulligkeit Turings. Weniger schrullig, mehr schnuckelig ist da everybody's Sweetheart Keira Knightley. Obwohl sie unter anderem mit Domino bewiesen hat, dass sie auch badass sein kann, wird sie nach wie vor als knuddelige Halb-Emanze mit frechem Mundwerk gecastet. So auch in diesem Fall. Joan Clark hat emanzipatorisch gesehen Schwerstarbeit geleistet. Sich in einem Team männlicher Wissenschaftler zu behaupten, muss 1939 ein Kraftakt gewesen sein. In The Imitation Game grinst Knightley zwei-, dreimal und die uns wohlbekannten Grübchen öffnen Tür und Tor.

Technisch ist Ein streng geheimes Leben solide. Dialoge werden ruhig im Gegenschuss geschnitten, gerne wird auch mal dazu geschwenkt. Die Schlacht-Sequenzen kommen ganz offensichtlich zu großen Teilen aus dem Rechner: Schade! Hätte Regisseur Morten Tyldum einfach ein paar Spielfiguren über ne Risiko-Karte geschubst, ja, vermutlich hätte das besser ausgesehen. Der Dialoglastigkeit hingegen mag es geschuldet sein, dass wir überwiegend in der Halbnahen festhängen. Etwas mehr Abstand zu den Figuren würde eventuell weniger gezwungen wirken.

Fazit
The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben ist ein absolut sehenwerter Film der alten Schule. Auch wenn historisch nicht ganz korrekt und sicherlich nicht perfekt, schaffen das Drehbuch um Turing und die Performance Cumberbatches, es uns zu fesseln. Ich bin mir auch ganz sicher, dass diesmal weniger Popcorn geraschelt hat und weniger Schlürfgeräusche die traute Melancholie gestört haben. Weiterhin schafft es der Film, das Thema Homosexualität mal ganz unaufgeregt zu verarbeiten - auch eine Seltenheit in der Kinolandschaft. Wenn Ihr einen Grund braucht, ins Kino zu gehen: Jetzt habt Ihr einen.

In diesem Sinne,
SatireFreies Cheerio und eine kleine Verbeugung vor einem der klügsten Köpfe des letzten Jahrhunderts

Euer Rob

Trailer zu The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben

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