Donnerstag, 17. Januar 2013

Django Unchained

oder:
South America – Wo Foxx und Waltz sich gute Nacht sagen

„The New Film By Quentin Tarantino“ ist für einen Rezensenten Fluch und Segen zu gleich. Tarantino ist Kult, zweifelsohne. Er ist ein eigenes Genre, ein Terminus welcher nahezu exakt definiert ist. Das macht es schwer objektiv zu bleiben. Der Regisseur/Autor/Fan ist eine fleischgewordene Hommage an die Zelluloid-Dinosaurier der Filmgeschichte. Heist-Movie, Gangsterfilm, Martial Arts, Exploitation, Nazisploitation und in fast jedem seiner Filme immer ein Hauch Western. Diesmal wurde aus dem Hauch ein wahrer Sturm. Das CinemaxX Magdeburg lud am 17. Januar zur Vorpremiere von "Django Unchained".
Ich war für Euch da.
Ein Italowestern im Südamerika des Jahres 1858 – ein Southern!
Ein Filmreview im Magdeburg des Jahres 2013 – ein Eastern?


Story

Der Sklave Django (Jamie Foxx) wird von Dr. King Schultz (Christoph Waltz) befreit, um dem Kopfgeldjäger zu zeigen wo sich Schultz` nächsten Ziele, die Brittle Brüder, befinden. Django hilft ihm, hat ungeachtet dessen aber ein weiteres Ziel. Er will seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) aufspüren und ebenfalls aus der Sklaverei befreien. Mit schnellem Colt, viel Kunstblut und dem Support durch King Waltz...ähm...Schultz bahnt er sich einen blutigen Weg zu Broomhildas Besitzer Calvin Candie (Leonardo DiCaprio) und dessen Plantage Candieland.


Review

Christoph Waltz IST der Film. Ohne falsche Lobhuddelei. Tarantino ist so vernarrt in den Deutsch-Österreicher, dass er Ihn in jeder Minute Screentime feiert. Er schießt schneller, ist kultivierter, witziger, smarter, hat coolere Sprüche und schickere Unterhosen als ALLE anderen in diesem Streifen. Wurde Quentin Tarantino bisher ein Fußfetisch nachgesagt, zeigt er sich spätestens seit Inglorious Basterds eher germanophil. Wie viele Neugeborene in den kommenden Jahren wohl King Schultz getauft werden? We´ll see! Und Hauptdarsteller Jamie Foxx? Der DARF auch dabei sein. Sein Django teilt sich außer dem Namen nur noch die Coolness mit Franco Neros Charakter des selben Namens (Django, 1966) – am besten zu sehen während eines Cameoauftrittes des Italieners. An den schauspielerischen Leistungen ist aber auch bei dem kritischsten Blick einfach nicht zu rütteln - selbst wenn man es wollte. Tarantino inszenierte einen Comic in Fleisch und Blut. Da kann man den Darstellern kein Overacting ankreiden. Und generell – das gebe ich ungern zu – gibt es recht wenig zu bemeckern. Der Film dürfte dem Mainstreampublikum etwas zugänglicher sein als beispielsweise Death Proof – Todsicher – ein Film, der ungekürzt ähnlich leicht zu ertragen war, wie eine Darmspülung mit kochendem Wasser. Bei „Django Unchained“ wurde das Maß der, teilweise unerträglich langen, belanglosen, künstlich aufgeblähten, nervenzerreißenden, banalen, nichtssagenden – aber doch so tarantinotypischen - Dialoge merklich herabgesetzt. Der zweite Grund ist der bitterböse Humor, der bisweilen etwas an die deutsche Bullyparade erinnert und den Rahmen von „Django Unchained“ als flappsiger definiert als es das Thema vielleicht verdient hätte. Beispielsweise wenn ein Rotte von Rassisten, angeführt von Big Daddy (Don Jonson) feststellt dass „die Idee mit den Säcken über dem Kopf ganz nett war“, das nächste Mal aber eine richtige Verkleidung genommen würde. Folgerichtig handelt es sich dabei um die fiktive Entstehungsgeschichte des rassistischen Geheimbunds Ku-Klux-Klan. Zumindest lachte das Publikum an den dafür vorgesehenen Stellen und das ist ja erstmal schön. Political Correctness wird sowieso überbewertet – nur eben nicht hier. Dafür durfte sich Tarantino bereits die eine oder andere Standpauke abholen. Regisseur Spike Lee (u.A. Malcom X) gab zu Protokoll: „American Slavery was not a Sergio Leone Spaghetti Western […].“ Glück gehabt dass „Django Unchained“ ein SPIEL- und kein Dokumentarfilm ist. Der gleichen Meinung war offensichtlich auch die FSK und verpasste dem Streifen ein mildes 16er Rating. Glückwunsch. Man traut jetzt den ganzen Hauptschul-Kevins und -Chantals zu, selbst zu erkennen dass Mord nicht cool und Rassismus kein Spaß ist. MUTIG! Appropos mutig. Tarantino war auch mutig und entschied diesmal, sich ohne Kapitel, dafür in einer linearen Erzählstruktur (sogar nach klassischem Drei-Akt-Schema!) zu bewegen. Good choice. Die Ästhetik bleibt aber gewohnt retro. Flashbacks mit blaustichigem Farbfilter, unruhige Zooms und Schwenks bei denen dem Zuschauer die Feder aus der Mütze springt. Alles schreit nach den Sixties. Der Soundtrack, mit Tracks von Altmeister Enio Morricone bis Hip Hop von Jamie Foxx selbst, ist wie immer ungewöhnlich aber genauso Stilmittel wie der zehn Liter Blutverlust nach einem Schusswechsel. Die Laufzeit ist mit 165min hart am Limit. 20 Minuten weniger hätten es auch getan. Mit dem Auftauchen von DiCaprio und Jackson verliert die Inszenierung im letzten Drittel etwas an Fahrt macht aber immer noch zu viel Spaß um sich jetzt drüber auszukotzen. Das Finale ist fulminant und entlässt den Zuschauer mit einem befriedigenden Gefühl – nämlich dem dass Cowboys jetzt wieder cool sind.

P.s.: Wer sich für Trinkspiele interessiert, hier ein Vorschlag: Immer wenn im Film das Wort „Nigger“ fällt wird ein Tequila getrunken. Nach 30min seid ihr straff wie die Seemänner.


Fazit

Django Unchained“ ist ein filmisches 7-Gänge-Menü, welches sein einziges Manko in der trüben Suppe zwischen Hauptgang und Dessert hat. Der Leinwand-Gourmet wird dafür mit einer schwarzhumorig-überdrehten Hommage an frühe Italowestern, einem grandiosen Cast und soviel Kunstblut belohnt dass man hinterher in eine Zelluloid-Fressnarkose fallen wird.

Tarantinofans werden begeistert sein. Neulinge laufen Gefahr angefixt zu werden. Anschauen!


In diesem Sinne,
südstaatenbeschämendes Cheerio und viel Spaß bei Eurem nächsten Film

Euer Robert


Trailer zum Film


Django Unchained
165 Minuten
FSK 16
USA, 2012

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