Dienstag, 26. Mai 2015

Gruselkabinett 100: Träume im Hexenhaus

OT: Träume im Hexenhaus (nach H.P. Lovecraft) | 67 Min | FSK 12 |
R: Marc Gruppe, Stephan Bosenius | D 2015
VÖ: 15.05.15 (CD/DVD)
Extras: Dok. 'Titania Medien - Ein atmosphärisches Portrait'
© Titania Medien / Luebbe Audio
oder: H.P. Lovecrafts Arkham Witchbitch - Lehrveranstaltung in der vierten Dimension

Yeah. Und wieder eine Premiere auf Kopf & Kino. Hörspiele! Also im Moment nur eines, aber das liegt mir besonders am Herzen. Und bevor am Ende dieses überschwänglich wohlwollenden Textes nachgefragt wird: Nein, dieser Text wurde nicht gesponsert! Ich bin nicht käuflich - außer mit Essen oder Geld... Sachgeschenken, Wertpapieren, Kuscheltieren, Alkohol, usw.

Die von mir heißgeliebte Reihe Gruselkabinett von Titania Medien feiert seine 100. Folge. Auf dem Hörspielmarkt ist das immernoch ein Ereignis - insbesondere, wenn es nicht um Franchises wie Geisterjäger John Sinclair, Die drei ??? oder ähnliche Nerdboner geht. Und ganz unschleimig gratuliert Kopf & Kino dazu. Folge 100 präsentiert dem Hörer erneut eine Lovecraft-Adaption - Träume im Hexenhaus* - welche sowohl eigenständig als auch im Kontext des Cthulhu-Mythos funktioniert. Für Euch hab ich den Gräuschen im verfluchten Gebäude gelauscht, im Necronomnomnicon geblättert und versuche meine Absolution durch das Schreiben dieses Textes zu erlangen.


Story
Der junge Student Walter Gilman ist zu fleißig. Das mag jetzt für Deine, meine, unsere Ohren seltensam klingen, wo heutzutage die 50 witzigsten Pornofilmtitel genügen, um jemanden für Stunden von seiner Bachelorarbeit zu lösen. Mitte der 1930èr hat sich das Jungvolk wenigstens noch von anständigen Dingen ablenken lassen. Von okkulten Büchern wie dem Necronomicon zum Beispiel oder der Astrophysik, der vierten Dimension oder den Aufzeichnungen zur Hexe Keziah Mason, welche angeblich. Als just diese Lektüre bei Gilman überhand nimmt, beginnt sich sein Dozent Sorgen zu machen (Was für 'ne Utopie!) und verordnet dem Jungspund eine Auszeit.

Das ehemalige Haus der Hexe Keziah gehört dem Vorzeige-Muffelkopp-Vermieter Dombrowski, welcher Walter Gilman auf dessen eigenen Wunsch den verkommenen Dachboden des titelgebenden Hexenhauses beziehen lässt. Kaum angekommen, entgleitet Walter immer mehr der Realität. In seinen Träumen trifft er die Hexe, deren menschenköpfigen Rattendiener Brown Jenkin, macht Kurzausflüge nach Innsmouth, bringt den Dachboden zum leuchten und sorgt auch sonst dafür, dass sich jeder immerzu um ihn Sorgen macht. Studentenkrams eben.

Review
Cthulhu-Jünger wackeln immer ganz aufgeregt mit den Tentakeln, wenn es mal wieder eine Adaption gibt, die sich werkgetreu an die Vorlage hält. Denn auch wenn Filme wie Re-Animator* und From Beyond* ein absoluter Splatter-Spaß sind, reichen sie in puncto Schauerstimmung nie an Lovecrafts originale Werke heran...zum Glück aber auch nicht an dessen xenophobe Tendenzen! Diesbezüglich zeigen sich auch die Lovecrafter aus der Titania-Reihe political correct, bauen Frauenfiguren ein, wo es eigentlich keine gab, und geben sich auch sonst alle Mühe, dass vermeintlich junge Lauschlöffel auch künftig das Asylantenwohnheim nicht als satanischen Ritualplatz fehlinterpretieren.

Schon gewusst?
Auch
Die Hexe des Grafen Dracula
basiert auf Lovecrafts Geschichte.
Sprecher Hannes Maurer wimmert motiviert als Jungspund Walter Gilman. Ich gebe zu, dass es zwei Durchläufe gebraucht hat, bis ich mit der Stimme in dieser Rolle warm geworden bin. Maurers vergleichsweise hohe Stimme kennen wir zwar dauerheulend-sympathisch als Shinji Ikari in den Neon Genesis Evangelion*-Filmen (u.a.), sie konterkariert damit aber auch - zunächst unfreiwillig - die angedachte Stimmung der eigentlichen Kurzgeschichte. Hier wäre Wanja Gerrick ein sicherer Griff gewesen. So beweist das Team um Regisseur Marc Gruppe, dass es risikofreudig ist. Synchronschauspieler wie Roland Hemmo als Schwarzer Mann und Dagmar von Kurmin als Hexe sind hingegen immer eine sichere Wahl und schreien, brummen und wispern engagiert ins Mikro.

Ein Hoch auf das Sounddesign von Träume im Hexenhaus. Zwar hätten die Damen und Herren gerne noch etwas mehr in die räumliche Tiefe gehen können, aber Musik und Soundeffekte verschmelzen zu der wunderbar bitteren Grundlage, auf der ein Hörspiel hätte entstehen können, dass uns die Bettdecke etwas höher ziehen lässt. Das schafft die 100. Episode leider nicht ganz. Die düstere Sogwirkung von Der Schatten über Innsmouth  oder die bitterböse Tragik, welche uns in Das Ding auf der Schwelle mitfiebern lassen, bleiben hier aus. Was das Hörspiel dennoch generiert, ist Faszination. Vor unserem inneren Auge entstehen fremde Welten vor denen wir - wie gewünscht nehme ich an- angeekelt und angezogen gleichermaßen sind.

HALT EIN, DU WICHT_IN! Zu der 100. Folge gibt es ein ganz besonderes Schmankerl. Auf DVD präsentieren uns Kai Naumann, Marcel Barion und Johannes Bade Titania Medien - Ein atmosphärisches Portrait. Und endlich reden wir hier mal nicht von einer Slideshow mit Audiokommentar oder ähnlichem. Der 50-Minüter ist sauber fotografiert, zeigt uns Größen wie Lutz Mackensy bei der Arbeit und wird von David Nathan (Christian Bale) als Erzähler begleitet. Da grenzt es an pure Infanitilität, laut loszulachen, sobald ein Mitarbeiter die Hülle abtastet und sagt: "Ich schaue, ob die Innenrosette in Ordnung ist." Und glaubt mir, dass ich mich selbst hasse, wenn ich schon beim Schreiben dieser Zeilen wieder doof grinse - ich Subjekt. Abgesehen davon muss es Herzblut sein, welches Regisseur Marc Gruppe so herzzerreißend vom Anfang der Gruselkabinett-Reihe erzählen lässt, während er Entwürfe für die ersten Cover zeigt. Titania Medien - Ein Atmosphärisches Portrait ist ein Film der ohne Frage- und das meine ich nun im besten Sinne und ohne Ironie - bei ARTE laufen kann, um 20:02, 21:21, 24:24 Uhr oder eben einer anderen atmosphärischen Uhrzeit. Ich schalte ein.

Fazit 
Gruselkabinett #100: Träume im Hexenhaus enttäuscht niemanden, obgleich es sich wohl nicht als Favorit unter den Lovecraft-Vertonungen platzieren wird. Nach dem Hören überlegen sich vermutlich Zweidrittel aller Mathematikstudenten in der Unibibo nach 'diesem Necronomicon' zu fragen und anschließend auf Astrophysik umzuschwenken. Schließlich ist eine grauenvolle Dimensionsreise, inklusive Treffen mit Azatoth, immernoch besser als die Zwischenprüfung in Mathe. Eine atmosphärisch dichte Inszenierung reißt das etwas ruckeligen Buch wieder raus und beschert dem empfänglichen Hörer dennoch AlpTräume im TreppenHexenhaus.

In diesem Sinne,

InnenrosetteAufFehlerAbtastendes Cheerio und viel Spaß bei Eurer nächsten Reise in die Vierte Dimension

Euer Rob

P.S.
Ihr wollt mehr Lovecraft? Natürlich wollt Ihr das! Darum habe ich Euch euphorischen Dimensionsreisenden auch noch fix alle Lovecraft-Hörspiele von Titania Medien zusammengestellt. Hört jetzt rein und dankt mir später bei einem dagonistischen Absacker in R'lyeh:

Trailer zu Titania Medien - Ein atmosphärisches Portrait



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Disclaimer: Die CD / DVD wurde mir vom Verleiher zur Verfügung gestellt.
Der Text ist nicht gesponsert sondern gibt ausschließlich meine ehrliche Einschätzung wieder.

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