© Kopf & Kino // Robert Gryczke
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Gibt es den den deutschen Superhelden?
Ich stand eben im Bahnhofsbuchhandel – es dürfte keine anderen geben! - und hielt den zweiten Band der Serie LDH – Liga Deutscher Helden in den Händen. Und anders als Jörg Buttgereits Captain Berlin ist diese Reihe als ernstgemeinter Beitrag zum Superhelden-Genre erschienen. Keine Persiflage auf Superman & Co. Keine Satire auf Deutschlands Vergangenheitsbewältigung.
Die LDH ist eine Schwester der österreichischen Serie ASH – Austrian Super Heroes. Verdammt, selbst in puncto Comics klingen wir irgendwie nach "§52" und "Draußen nur Kännchen". Dabei stelle ich mir die Frage, ob Germany überhaupt einen Superhelden handlen kann. Oder schwebt die WWII-Historie noch immer bleiern über der Kunst? Sprich: Dürfte Captain Germany etwas anderes sein, als die getuschte Entschuldigung für unsere Kriegsverbrechen? Dürfte ein Held, eine Heldin – nein, dürfte ein deutscher Held, eine deutsche Heldin als "Übermensch" bezeichnet werden – Bei Superman ist das Gang und Gebe – ohne dabei knirschende Erinnerungen an die Rassenideologien des Dritten Reiches zu erinnern/ erinnert zu werden.
Und welche abgefahrenen Fähigkeiten würde a real german hero wohl besitzen? Könnte er sich mit Hilfe eines kosmischen Strafgesetzbuches in einen Paragraphen-Ritter verwandeln? Zu viele Klischees! Vielleicht wird er/sie auch einfach von einem radioaktiv verseuchten Maikäfer gebissen und kann laut summen, verreckt dafür aber, sobald es kälter als 7°C wird.
Bei den Platzhirschen Marvel und DC sind Superhelden deutscher Herkunft nichts Ungewöhnliches. Der blaue, dämonenhafte X-Man Nightcrawler heißt mit bürgerlichem Namen Kurt Wagner und ist in München aufgewachsen. Na gut, vermutlich hätte ich dann auch die Fähigkeit zum Teleportieren entwickelt.
Seine Deutschen mag der amerikanische Comicfan lieber als Schurken, so wie übrigens auch Russen überwiegend als Übeltäter in Erscheinung treten. Da darf ein Baron von Strucker wüten, ein Johann Schmidt zum Red Skull-Nazi mutieren und ein Helmut Zemo die Avengers spalten.
(Ey – "Helmut"! Wenn ein Schurke namens Jürgen oder Fridolin auf den Plan tritt, bin ich raus.)
Selbst der russischen S.H.I.E.L.D.-Agentin Natasha 'Black Widow' Romanoff musste durch die Amerikaner erst einmal der Kommunismus ausgetrieben werden.
Dabei ist vor allem Marvel doch recht offen für "andere Länder, andere Sitten". So gibt es beispielsweise einen indischen Spider-Man, Pavitr Prabhakar, mit kulturell abgestimmtem Outfit und Story-Background. Und Captain Britain (!) wurde komplett auf der beliebten Artussage aufgebaut, inklusive Merlyn, Avalon und Morgan Le Fay.
Warum findet bei uns nicht einfach ein Tim Weber das Gewehr des Freischütz' in der Wolfsschlucht und wird zu Silver Bullet – oder Silver Boulette? Das wäre doch mal ein Kompromiss. Und ganz ohne Nazis und so Zeugs.
In diesem Sinne,
SuperheldenEmblemeAufKlopseMalendes Cheerio
Euer Rob
Wenn ihr irgendwas dazu loswerden möchtet, oder auch, wenn ihr mich loswerden möchtet, lasst euch doch gerne in den Kommentaren aus.
Weiterführendes
Wenn ihr in die Comicreihe Liga deutscher Superhelden reinlesen wollt, könnt ihr dem Link folgen: Liga deutscher Superhelden #1: Vorboten*. Auf der offiziellen LDH-Website gibts mehr Infos zu Gamsbart, Chimäre & Co.
Ihr habt eher Bock auf Austro-Action? Kein Problem! Die große Schwester ASH - Austrian Superheroes könnt ihr unter folgendem Link ordern: Austrian Superheroes #1: Rückkehr der Helden*. Auf der offiziellen ASH-Website gibts mehr Infos zu Captain Austria & Co.
Die angesprochene Superhelden-Satire Captain Berlin von Mastermind Jörg Buttgereit ist ebenfalls im schnöden Kommerzhandel erhältlich: Captain Berlin - Sammelband 1*.
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Aus der Ideenschmiede Paul und Paul gibt es den Kölner Superhelden Dorn, der Morgenstern. Diese Story ist eng verknüpft mit den "Helden"-comics des Verlages. Allerdings scheint dieses Projekt (zu meinem Bedauern) ein- bzw. besser entschlafen zu sein. Auch hier kam man völlig ohne Nazibezug aus. :)
AntwortenLöschenHi Arne,
Löschennach dem Geraffel auf Facebook nun auch nochmal hier: Die "Union der Helden" sieht spannend aus. Einen Foto-Comic in dieser Form hab ich lange nicht mehr angeschaut. Schade, dass dieses Projekt scheinbar ad acta liegt.
[Interessierte können sich die Union der Helden allerdings unter folgender Adresse nochmal zu Gemüte führen: UnionDerHelden.de]
"Dorn" hingegen sieht tatsächlich nach dem 'klassischen' Superheldencomic aus. Umso erfreulicher, dass es zumindest mal den Versuch gab, die Thematik auf der einen Seite mainstreamtauglich, auf der anderen Seite in den Kontext seines Entstehungslandes eingebettet, auszuwerten.
[Zu finden ist DORN übrigens auf der IPP-Verlagshomepage]
Aber grundlegend erst einmal einen Daumen nach oben, für den Umstand, dass man ohne Nazigedöns ausgekommen ist! ;)
LG,
Rob
Kopf & Kino
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Link zum Beitrag auf Facebook, inklusive umfangreicher Kommentierung
Kleiner Nachtrag: "Anonym" ist scheinbar gar nicht Arne, der sich schon rege an der Diskussion auf Facebook beteiligt hat. Pardon! Trotzdem liebe Grüße an Anonym.
LöschenLG,
Rob
Kopf & Kino
Interessant sind auch einige Werke aus der russischen Literaturschmiede. Lukianenko beschrieb beispielsweise in einem seiner Wächter-Romane amerikanische Soldatentruppen als ideologisch geblendete Figuren eines von Strippenziehern gelenktem Spiel, welche sich stolz ihrem Vaterland verpflichteten und ihre Taten mit ihrem Patriotismus rechtfertigten. Lukianenko formulierte es natürlich nicht so salopp, man fand diese Aussage eher zwischen den Zeilen.
AntwortenLöschenUSA - übersteigerter Patriotismus... klingt schon ziemlich klischeehaft, wobei der Autor sich auch russischer Klischees bediente ("jedes Bier / jeder Wodka schmeckt scheußlich, wenn es nicht in Russland hergestellt wurde..." ^^). Manchmal muss man Klischees aufbauen, um diese im nächsten Atemzug wieder zu entkräftigen oder auf diesem Wege etwas zu kritisieren.