Dienstag, 11. September 2018

Tatort 110

© Kopf & Kino // Robert Gryczke
Gedanken zu Conjuring, deutschen Krimis und Shared Universes

Es ist verrückt, wie gut einige Franchises funktionieren und wie schlecht dagegen andere. Komme gerade aus The Nun, einem weiteren Beitrag zum „Conjuring“-Universum. Und jetzt frage ich mich, warum es eigentlich noch kein Shared Universe im deutschen Markt gibt. Besonders im TV gäbe es da einige Varianten. Folgend ein paar Gedanken dazu.

Bei Conjuring fing der Rummel 2013 an, mit der gleichnamigen – nun sagen wir mal angenommenen Adaption, einiger Eskapaden der selbsternannten Spukjäger Ed und Lorraine Warren. Deren erfundenen Tatsachenberichte lieferten bereits Futter für zahlreiche Amityville-Horrorfilme. The Conjuring* ist im weitesten Sinne ein besserer Exorzismus-Film, wie ihn der Markt eigentlich nicht mehr braucht. Aber Regisseur und Produzent James Wan leitete bereits 2010 die Renaissance des Polter-Geister-Haus-Films ein, mit Insidious* und einer Mischung aus tradierten Gruselelementen (Nebel, quietschende Türen, etc.), einprägsamen, aber ebenso von Horror-Archetypen entlehnten Gruselfiguren – und Jumpscares. Reichlich Jumpscares. Diese Formel zieht sich auch durch die Filme des Conjuring-Franchises.

Und wichtiger: Es gibt überhaupt ein Franchise! Denn während Marvel seit zehn Jahren sein Cinematic Universe aufpustet, scheitert die Konkurrenz weitestgehend an der Herausforderung, ein Filmuniversum zu schöpfen, das die Zuschauer auch dann noch interessiert, wenn es nicht nur die vermeintliche Haupthandlung bedient. Marvels Nemesis (in der Comicbranche) DC, startete mit Man of Steel* sein eigenes Leinwanduniversum, konnte jedoch, bis auf Wonder Woman*, keinen Kritiker so richtig überzeugen. Der kommende Aquaman – übrigens auch James Wan – und die Fortsetzung Wonder Woman 1984 werden wohl darüber entscheiden, ob das DCEU rebootet wird, oder sich bei Fans ausreichend rehabilitieren kann.

Schlimmer lief es bei King Arthur: Legend of the Sword*, mit Charlie Hunnam in der Titelrolle. Hier wurden schon vor Filmstart sechs Filme im "Knight of the Roundtable"-Universum prophezeit. Nach dem ersten war schluss. Das Conjuring-Universum hingegen, umfasst mittlerweile stolze fünf Filme. Namentlich Conjuring 1+2, Annabelle 1+2* und der jüngst erschienene The Nun*, um den Dämon Valak, der uns in Gestalt einer Nonne heimsucht. Mit einem Crooked-Man-Film steht eine weitere Auskopplung an, basierend auf einem Kinderspielzeug, das in Conjuring 2* vorkommt. Bei dieser Methode muss man sich ernsthaft fragen, ob uns demnächst Spin-offs zu Toiletten und Haushaltsgegenständen erwarten: The Porcelain Throne vielleicht?

Aber warum schluckt das Publikum fünf schmalbudgetierte Horrorfilme, während es zahlreiche Big-Budget-Blockbuster verschmäht? Ich weiß es auch nicht! Aber mir drängelt sich die Theorie auf, dass das Publikum bei Conjuring & Co. schlichtweg weiß, was es für sein Geld erwarten kann und deshalb lieber in eine 'sichere Bank' investiert, als in Effekt-Spektakel, bei denen die Geschichten ja dann doch oft irgendwie vorhersehbar sind.

Sie sind bei Conjuring & Co. zweifelsfrei auch, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund, bekommen die Menschen nicht genug davon. Nicht genug von so vielen Jumpscares, dass es sich lohnt, ab dem Moment, in dem die Musik aussetzt, „21, 22, 23“, abzuzählen. In der Regel knallt, fliegt, springt und/oder fällt 'es' einem dann um die Ohren.

Egal – ist sicherlich eine Geschmackssache.

Cobra Clown und Tatort 110

Zurück zu unserem Titel. Ich frage mich nun, was genau man machen kann, um zum Beispiel hierzulande ein Shared Universe zu etablieren. Muss ja nicht im Kino sein. Ein Serienuniversum à la „Arrowverse“ wäre auch okay. Denn deutschsprachige Serienproduktionen haben mittlerweile genug Fleisch angesetzt, um ein paar Extrawürste in den Kunstdarm zu drücken.

Da gäbe es beispielsweise Alarm für Cobra 11*, mit dem RTL nach wie vor einen potenten Dauerbrenner im Programm hat. Zwar gab es den Versuch, mit Team 2*, ein Spin-off zu launchen; nach zwei Staffeln fuhr dieses aber gegen die Quoten-Leitplanke. Und warum hat denn niemand genug Mut, die Serie um den Vigilanten mit Clownsmaske wieder aufleben zu lassen? Die hieß Der Clown* und wurde ebenfalls von Hermann Johas (Stuntlegende) Firma „action concept“ realisiert. In zwei Pilotfilmen, 44 Episoden und dem abschließenden Kinofilm Der Clown: Payday* durfte Sven Martinek als abtrünnger Polizist Max Decker eine grottoid peinliche Clownsmaske überstreifen, um den deutschen Schurken ans Leder zu gehen, wie der Punisher, aber eben FSK 12.

Mit den Möglichkeiten des VoD-Marktes müsste es ja auch gar keine Alterseinschränkungen mehr geben. Ein frisches Design, ein talentierter Nachwuchsrecke und tada, fertig wäre doch ein Cobra-11-Backdoor-Pilot, mit Titel „Der Clown“. Und wer weiß, welche Überraschungen dieses „Cobra Clown“-Serienuniversum noch bereit hielte. Handgemachte Action war immerhin lange Zeit das einzige internationale Steckenpferd des deutschsprachigen Serienmarkts, abseits des überlaufenen Vorabend-Krimi-Segments der Öffentlich-Rechtlichen.

Aber zweifelsfrei böte sich auch hier eine Fokussierung an. Denn mit Tatort und Polizeiruf 110 haben die Öffis echte Selbstläufer im Programm, die beide ein Gegenwartsdeutschland erzählen (wollen) – auch wenn Magdeburg immer aussieht, wie eine betonfarbene Crackhölle.

Und bevor jetzt einige brüllen „Aber es gibt von den Krimis ganz ganz viele verschiedene Episodas!“ - ja ja, gibt es. So gibt es neben der ehemaligen Hauptserie SOKO München (SOKO 5113) auch noch elf Soko-Ableger. Verweise auf die jeweils anderen – zumindest als großes Ganzes - gab es aber erstmalig 2013, im Crossover-Event SOKO – Der Prozess. Das hat aber nichts mit mit einem Shared Universe zu tun, sondern, wie bei dem Tatort und dem Polizeiruf, mit einem Shared Produktionsaufwand. Zum einen soll sich die ganze Nation in den verschiedenen Serien vertreten fühlen, zum anderen wird es den Sendeanstalten zu teuer, wenn sie eine wöchentliche Serie alleine produzieren müssten.

Mit dem Tatort-Polizeiruf-Crossover Unter Brüdern* wurde das erste und einzige Mal eine echte Brücke zwischen den Filmreihen geschlagen. Cameos und die Erwähnung eines „Herr Tschiller aus Hamburg“ sind für Stammzuschauer zwar nette Goodies, bleiben aber ansonsten unnütz. Ansonsten gibt es keine Verweise darauf, dass sich die Serien die gleiche Fiktion teilen.

Ob ihrer erzählerischen Niederschwelligkeit, würden allerdings viele deutsche Formate in dieses hypothetische „Crimeverse“ passen, auch SOKO und Formate wie Ein Fall für Zwei. Wie neckisch könnte es werden, wenn die Privatermittler Matula, den Ermittlungen eines Magdeburger Polizeiruf-Teams einen Strich durch die Rechnung machte?

Und Arne Feldhusens Tatortreiniger* Schotty begrüßte bereits zweimal Polizeiruf-Teams, inklusive Charly Hübner als 'Sascha' Bukow. Zufall? Vermutlich, ja, aber wie viel ungenutztes Potential da einfach herumliegt – das kann man ja gar nicht mit anschauen!


Liebe Sender, wenn ihr noch Hilfe beim Konzeptionieren für „Cobra Clown“, „SOKO Polizeiruf“ oder „Tatort: Reiniger“ braucht: Call me!


In diesem Sinne,
SchafherdeAlsSchertUniverseBezeichnendes Cheerio und viel Spaß bei eurem nächsten Krimi

Rob


Weiterführendes

Das Team Walulis hat sich der Thematik "Deutsche Serien" bereits angenommen. Im Beitrag USA gegen Deutschland - Der ultimative TV-Serien Showdown erfährst Du, wie erfolgreich deutsche Serienformate wirklich sind und wie Flops zum Kalkül der US-Netzwerke gehören.

Für echte Tatort-Fans empfiehlt sich die Seite Tatort-Fans.de - obviously. Dort findest Du wirklich alle Infos zu Kommissaren, aktuellen Produktionen und den Verein Tatort e.V., der Spenden für die Befreiung Minderjähriger in philippinischen Gefängnissen sammelt.

Vielleicht etwas platt, aber es gibt tatsächlich eine englischsprachige Wiki-Liste zu Shared Universes. Hat jetzt natürlich nichts mit Recherche zu tun, aber ist für Film- und Serienfans sicherlich stöbernswert.

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