Donnerstag, 9. April 2020

Bearkittens (2020)

OT: Bearkittens | 71 Min | ohne FSK |
Drehbuch: Nisan Arikan, Lars Henriks | 
Regie: Lars Henriks | DEU 2018
VÖ: 19.04.2018 (VOD)
© Obsessive Filmmakers
Verdrogt, verdorben und vergessen:
Das Mitten-im-Leben-Spezial

Jugendliche Unsympathen im Wald, paraphile Fantasien und Menschen, die nicht pinkeln können, wenn jemand zuschaut. Klingt zunächst nach der Krabbelgruppe Koala in Berlin-Kreuzberg, ist aber die Prämisse des neuen Indie-Flicks von Lars Henriks: Bearkittens.

Wenn man sich als Filmblogger in der Indie-Szene bewegt, ist es ein bisschen peinlich, einige Namen nicht auf dem Schirm zu haben; sei es von Newcomern, Underdogs, Indiefilmschaffenden oder Festivals für Newcomer, Underdogs und Indiefilmschaffende. Lars Henriks (laut Wikipedia eigentlich Lars Kokemüller) ist so ein Name. Ich gelobe Besserung, 'schwöre bei meinen Bearkittens, Alter!

Review

Wie nähere ich mich einem Film, bei dem ich – ehrlich gesagt – zwei Anläufe brauchte, um ihn anzuschauen? Dabei beginnt Bearkittens so charmant wie nur irgend möglich: Sieben junge Frauen, von denen ich keine bei Vollmond treffen möchte, kieken in die Kamera und erzählen, warum sie zu Sozialstunden verdonnert wurden. Mit Schlagworten wie „Kinderpornografie“ oder „Körperverletzung“ will das Drehbuch sicherlich gezielt schwache und sensationslüsterne Gemüter abholen. Und das hat es mich ja damit auch!

Was sich in den folgenden 70 Minuten abspielt, ist ein schönes Beispiel dafür, dass Budget – oder gar eine ausgefuchste Story – gar nicht so wichtig ist, wenn denn wenigstens die Charaktere interessant und/oder stimmig sind. Denn moralflexible Weirdos, die aus Zwang um einen Storykern kreisen, gab es natürlich schon in Reservoir Dogs* oder Smokin Aces*, aber auch in Cube* und vielen anderen Filmen – die unzähligen Jugendliche-im-Wald-Szenarien mal gänzlich außen vor gelassen. Ist aber alles nicht schlimm! Vertraute Elemente können ja auch helfen, um beim Zuschauer schneller anzudocken. Deswegen weiß ich ja zum Beispiel mittlerweile, dass ich beim Porno nicht vorspulen muss, nur weil der Familienvater seine neue Freundin mit seiner Stieftochter bei der nachmittäglichen Sexualität überrascht. Denn der Erfahrung nach, geht eben dieser Vater ungewohnt locker mit der Situation um und lotet einfach mal selbst die Grenzen des Strafgesetzbuches aus. Im Falle von Bearkittens bedeutet das: Wald = creepy.

Und schon sind wir bei den Charakteren von Bearkittens. Und da kann sich Lars Henriks aber dicke bei dem vornehmlich weiblichen Cast bedanken. Denn spätestens ein laienhafte Spiel outet ja viele Low-, Micro- und No-Budget-Filme als ebensolche. Passiert bei Bearkittens nur selten. Wenn hingegen Virginia Roncalli ihrer "Alicia" den Charme eines Jeffrey Dahmer einhaucht, dann tut das dem Film sehr gut. Sobald das apathisch grinsende Ponytail-Girl bei Tisch, vor ihren behaupteten Eltern, ihre schulischen Leistungen rezitiert, während sie in surrealen Splatterfantasien schwelgt, dann sprüht das Drehbuch an dieser Stelle vielleicht wenig mit Subtext, dafür mit einer ganz sumsefeinen Charakterzeichnung und hübschen visuellen Einfällen.

[So, nach dem Satz, atmen wir erst mal alle tief durch.]

Und kann bitte einer mal Hannah Bortz öfter besetzen? Die hat mir den größten Aha-Moment beschert. In der eingangs angesprochenen Charakter-Intro-Sequenz schreibt man ihrer kleinen Rebellin "Svenja" womöglich noch absolutes GZSZ-Potential zu; so wie die Dame da overactet und viel zu weit aufgerissene Augen und andere mimische Entgleisungen abfeuert. Bis einem klar wird: Das ist gewollt! Bortz spielt ein pseudo-rebellisches Wohlstandskind mit Fridays-For-Future-Attitüde. Und das tut sie sehr überzeugend und mit einem fantastischen Gefühl für Timing. Ins Zelt springen oder im Wald pinkeln wird nach diesem Film nie wieder das Gleiche für Dich sein – trust me.

„Aber hat dieser Film denn gar keine Makel?“, fragt mich natürlich jetzt wieder niemand. „Kommt auf den Maßstab an, Du freches Gehirngespinst!“, antworte ich da keck. Denn so simpel es ist, so sehr überzeugt mich das schwarzhumorige Mystery-Crime-Genre-Drehbuch von Nisan Arikan und Lars Henriks auch. Die Kamera- und Lichtarbeit ist etwas eigenwillig, wirkt oft wie abgefilmtes Theater, ob der statischen Einstellungen. Das könnte man natürlich mit einem Augenzwinkern als "Arthouse" verschreien. Tue ich aber nicht. Ich bin sicher, dass Kamera und Licht schlichtweg aus nachvollziehbaren Produktionsumständen einen Do-it-Yourself-Look haben.
Nehme ich dem Film das übel? Neien!
Warum? Diese Eigenheiten sind mittlerweile eine willkommene Abwechslung, zum vielzitierten Mainstreameinheitsbrei. So wie der Rest von Bearkittens übrigens auch.

Fazit

Bearkittens wird nicht jedem gefallen. Fakt. Aber das bunte Allerlei an kuriosen Charakterskizzen bietet auf jeden Fall Kurzweil PLUS handgemachte Musik, mit dem einen oder anderen Ohrwurm. Underground-Movie-Making par excellence. Und mehr erwarte ich ja von einem Indie-Flick mit dem Titel Bearkittens auch nicht.

In diesem Sinne,
müllaufpickendes Cheerio und viel Glück beim nächsten Waldspaziergang
Rob

Trailer zu Bearkittens



Weiterführendes

Mehr Informationen zum Regisseur und Verantwortlichen hinter Bearkittens, Lars Henriks findest Du auf seiner offiziellen Homepage.

Den offiziellen Soundtrack zu Bearkittens kannst Du Dir auf Soundcloud anhören.



Bearkittens* ist aktuell in Prime Video inkludiert.


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