Montag, 27. April 2020

Die Farbe aus dem All (2020)

OT: Color Out of Space | 110 Min | FSK 16
Drehbuch: Scarlett Amaris, Richard Stanley
Regie: Richard Stanley

Veröffentlichung: 23.04.20 (VOD, BR, DVD)
Extras: u.a. Trailershow, entfallene Szenen
© Koch Media
Bad Man: Arkham Night
The Thing IV: Alpakawahnsinn in Arkham
The Neon Demon 2
Well in the Well
Nicolas Uncaged

Gibt es gute Lovecraft-Filmadaptionen? Also welche, die der jeweiligen Originalgeschichte gerecht werden und mit Bedacht modernisieren, was der alte Teilzeitrassist Lovecraft so aufs Papier geschleudert hat? Schön, dass Du fragst! Ja, jetzt gibt es das! Und verdammt, das Regie-Comeback von Richard Stanley funktioniert gut – sofern Du Alpakas, Nic Cage im Rage-Mode und Neonpink magst. Hier ist der Kopf & Kino-Review zu Die Farbe aus dem All.

Der Name „Richard Stanley“ geistert immer mal wieder durch die Diskussionsrunden special-interestiger Filmtalknischen; meist im Zusammenhang mit dem gurkigen Filmverbrechen D.N.A. – Experiment des Wahnsinns. Nach einem bisschen Kleinklein für Anthologien etc., kehrt Stanley, nach über 20 Jahren, als Regisseur zum Langspielfilm zurück. Dankeschön dafür.

Story

Nathan Gardner (Nicolas Cage) zieht mit seiner Familie in das geerbte Landhaus seines Vaters, irgendwo in den Wäldern der Stadt Arkham. Nach der Brustkrebs-OP seiner Frau Theresa (Joely Richardson), will Nathan der Familie dort einen ruhigen Neustart ermöglichen – als Alpaka-Züchter. Eines nachts schlägt ein neonpink leuchtender Meteorit in den Brunnen der Farm ein, mit weitreichenden Folgen. Während innerhalb der Familie zunächst nur der Ton schärfer wird, verändern sich Flora und Fauna wesentlich sichtbarer, auf groteske Art. Bald muss die Familie schmerzlich erkennen, dass die Farbe aus dem All mehr ist, als ein ko(s)misches Leuchten.

Review

Lust auf ein Trinkspiel? Es wird immer etwas gebechert, sobald Nicolas Cage overacted. Mit dem daraus resultierenden Synapsen-Fuck-up, dürfte sich Deine Mimik schnell der von Nicolas Cage annähern. Früher bekannt für Hollywood-Blockbuster wie Stadt der Engel*, kurbelt Nic Uncaged in seinem Karriereherbst knapp fünf Produktionen pro Jahr runter – zumindest laut Imdb. Stand Ende April 2020 sind sechs weitere Projekte in Produktion. Dass die Dinger fürs Heimkino gedreht werden versteht sich dabei von selbst. Wie ich schon in meiner Farbe-Besprechung für featured schrieb: „Am Ende ist Schauspiel eben vor allem ein Beruf – die Berufung können sich nur wenige leisten.“ Und auch das kultige Dirty-Melonen-Mädchen Jennifer Grey spielt mittlerweile in halbgarer C-Stangenware à la Das Ritual – Im Bann des Bösen.

„Nicolas Cage, ein Berufspsychopath“, denke ich mir mittendrin. Plötzlich hab ich eine Epiphanie – oder eher eine „Epifunny“; während Nic Cage in einen ekligen mutierten Riesenpfirsich beißt und ihn anschließend manisch brüllkicherjuchzend in den Mülleimer kloppt: Das kann nur er! Keinem Schauspieler würde ich dieses Maß an Overacting verzeihen. Nic Cage aber liefert es mit einer Selbstverständlichkeit ab, die „Nathan“ zu einer tragischen Gestalt macht. Könnte Joaquin Phoenix so etwas? Glaube nicht. Viel zu groß wäre die Angst, über die eigenen künstlerischen Ambitionen zu stolpern und weniger als 'großes Kino' abzuliefern. Nicolas Cage dagegen shizzelt auf verkopfte Schauspielkonventionen wie Timing, Intonation oder so Zeugs. Habe mir zwischendrin sogar die Frage gestellt, ob er überhaupt wusste, dass die Kamera läuft oder ob das einfach Nicolas-Cage-Behind-The-Scenes-Impressionen sind, die wir da zu sehen bekommen.

Madeleine Arthur als "Liviana".
Das Leuchten kommt von der frischen Luft.
© Koch Media
Auch abseits von Nicolas Cage findet hier ein toller Cast zusammen. Hier sei vor allem Madeleine Arthur alias „Liviana“ erwähnt; die charmant depressive Gothic-Tochter der Familie, die sich am Peak ihrer Jugend gerne mit dem Necronomicon und Hexenzirkeleien beschäftigt.

Kiffer-Comedy-Urgestein Tommy Chong spielt einen Hippie. Das ist irgendwie lieb gemeint, aber in meinen Augen eher ein Zugeständnis an die Idee von "Kult". Für mich hätte es ihn nicht gebraucht. Aber hey: Hippies, Kinder und Alpakas gehen immer – hab ich gehört.



Blockbuster dieser Tage wirken ja bisweilen etwas farblos; ich schaue Dich an Marvel! Die Farbe aus dem All hingegen bläst Dir die volle Ladung Neon ins Gesicht. Mehr strahlendes Pink bekommst Du nur bei einer Loveparade ins Gesicht – dort allerdings bei höherem Bodycount. Dank des liebevollen Design des Films, in Kombination mit den wunderbar fotografierten Natur-, Nacht- und Nacktaufnahmen von Kameramann Steve Anis, bietet Die Farbe aus dem All etwas, dass nur wenigen Lovecraft-Adaptionen vorbehalten ist: Atmosphäre. Denn so kultig Brian Yuznas Re-Animator*-Reihe auch ist; so heiter auch der Effektpopanz in Dagon*: eine Atmosphäre, im Sinne der „cosmic awareness“ kommt bei kaum einer der bisherigen Adaptionen auf. Dass Richard Stanleys Beitrag genau das liefert, kann man der Produktion nicht hoch genug anrechnen. Auch mit Blick auf das unverschämt gute Drehbuch von Scarlett Amaris und Richard Stanley. Das Skript holt die Story einer degenerierenden Familie mühelos in die Gegenwart und macht beim Lovecraft-Worldbuilding keine Abstriche. Die Nachrichten zeigen den Wetterbericht für Arkham, Innsmouth und Dunwich; das Teenigirl schmökert im Necronomicon. Funktioniert gut. Macht Spaß. BITTE MEHR!

Nic Cage als "Nathan".
Natur ist scheiße.
© Koch Media
Die einnehmend kosmisch-bedrohliche Atmosphäre, vor allem gegen Ende des Films, lässt auch über den einen oder anderen CGI-Effekt hinwegblicken. Dafür ist es eben doch ein Indiefilm, der mit einem Budget von 12 Millionen Dollar anders aussehen muss, als Alex Garlands Auslöschung*, der eine ähnliche Prämisse hatte – außerirdische Farbe beeinflusst Flora und Fauna in einem Gebiet – und dazu noch 40 Millionen Dollar Budget. Zahlen und Vergleich hab ich mir von der Farbe-Kritik auf The Week geliehen. Wichtiger: Richard Stanleys Die Farbe aus dem All greift, auf Seite der praktischen Effekte, nach den Sternen der Achtziger. Spoilern will ich nicht, aber spätestens wenn groteskoides Gummi-Gestalt-Gedöns den Bildschirm für sich beansprucht, erinnert man sich gerne an John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt*, aber sicherlich auch an den etwas frischeren The Void*. Mit letzterem teilt sich Die Farbe... auch die Leidenschaft für Dreiecke. Um es mit den Worten des französischen Philosophen Bogus Mendax († 1888) zu sagen: „Dieser Film, hat meinen Verstand hart gefickt!“ Oder auf Französisch: „Düserr Füllm, 'at meyynen Vörrstönd 'arrt göfickt!“ Alpakas siehst Du nach diesem Film mit anderen Augen! MIT ALPAKAAUGEN!!!

Fazit

Die Farbe aus dem All ist ein wunderschöner Alptraum in Neon. In einer Zeit, in der Horror-Kunstfilme – oder eher Horrorkunst-Filme? – wie Midsommar* das Genre neuerfinden (wollen), bietet dieser Film einen Gegenentwurf, zu den verträumten Landschaftspanoramen und dem Hochglanzgrusel an. Die Farbe aus dem All* ist ein neonfarbenes Potpourri aus abgeschnittenen Fingern, Alpaka-Chimären, einer ungesunden Mutter-Sohn-Beziehung und Nicolas Cage im Rage-Mode. Wird dieses Creature Feature, mit dem exaltierten Nic Cage und den anachronistischen Creature-Effekten jedem gefallen? Sagen wir so: Richard Stanleys Comeback ist, wie seine anderen Filme auch, ein Nischenfilm. Aber verdammt, in dieser Nische ist er der King!

In diesem Sinne,
NecronomiconMitAlpakablutBeschmierendes Cheerio und viel Glück beim Brunnenausheben

Rob

Trailer zu Die Farbe aus dem All



Weiterführendes

Gefeuert: Regisseur Richard Stanley wurde während der Dreharbeiten der Filmproduktion D.N.A. - Experiment des Wahnsinns* (1996) gefeuert und durch John Frankenheimer ersetzt. Der Artikel "Brando's madness, Val Kilmer's ego, and the folly of Dr Moreau" (2015) von The Telegraph skizziert das Debakel ganz gut. Der Dok.Film Lost Souls: The Doomed Journey of Richard Stanley's Island of Dr. Moreau* von David Gregory verhandelt den Vorgang ebenfalls. Hab ich leider noch nicht gesehen.

Geplante Lovecraft-Trilogie: Im Artikel "'Color Out of Space' Filmmaker Richard Stanley Is Planning a Lovecraft Trilogy" (The Hollywood Reporter), kündigt Richard Stanley eine Filmtrilogie von Lovecraft-Adaptionen an, deren erster Film Die Farbe aus dem All ist und die mit The Dunwich Horror fortgesetzt werden soll. Auf der Seite www.HPLovecraft.com finden sich viele Originaltexte kostenfrei in Originalsprache.

Jennifer Grey: Das im Text angesprochene "Dirty-Melonen-Mädchen Jennifer Grey", spielte 1987 im Tanzkultfilm Dirty Dancing* die Rolle der "Baby", an der Seite von Patrick Swayze. Der angesprochene Film The Ritual – Ritual des Bösen* (2002), ist die dritte und stiefmütterlich verschwiegene Filmauskopplung der TV-Gruselserie Geschichten aus der Gruft*.

Farblose Blockbuster: Die Aussage im Text "Blockbuster dieser Tage wirken ja bisweilen etwas farblos; ich schaue Dich an Marvel", bezieht sich auf eine Diskussion, die sich darum dreht, dass Marvels aktuelle Superheldenfilme betont farblos wirken. Einen guten Einblick findest Du im Filmschool-Rejects-Artikel "Are Marvel Movies Ugly? Color Grading and the MCU".

Top 7,5 Lovecraft-Adaptionen: Wenn Du mehr Filmtipps zu Lovecraft-Adaptionen möchtest, findest Du 7,5 in der Liste "Kopf & Kino Top 7,5 der besten Lovecraft-Filme".

Der Farbe-Score: Der Score zum aktuellen Die Farbe aus dem All stammt aus der Feder von Colin Stetson, der schon die Musik zu Hereditary - Das Vermächtnis* komponiert hat. Im Folgenden kannst Du Dir das Stück „Contact“ kostenfrei anhören.



Gewinnspiel (beendet)

So, jetzt hast Du vielleicht Bock auf den Film. Vielleicht auch nicht. Mir egal. Jedenfalls darf ich mit freundlicher Unterstützung von Koch Media ein Mediabook von Die Farbe aus dem All* verlosen.

Aufgabe: Welche vierfache Alliteration hat sich in dieser Filmkritik versteckt?
Tipp: Sie beginnt mit "g".

Die Lösung lautet: "groteskoides Gummi-Gestalt-Gedöns"

Das Gewinnspiel ist beendet.
Kopf & Kino gratuliert Mattias Klug aus Mannheim.

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*Affiliate-Link: Kaufst Du etwas über diesen Link, entstehen Dir dadurch keinerlei Nachteile. Kopf & Kino erhält lediglich eine kleine Provision. So unterstützt Du meine Arbeit. Dankeschön.

Disclaimer: Zum Zwecke der Sichtung wurde Kopf & Kino vom Verleiher eine Rezensions-DVD zur Verfügung gestellt.

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