Man traut es dem satirischen Schandmaul nicht zu, aber ich wünsche tatsächlich ein frohes Fest. Das zurückliegende Jahr war für Kopf & Kino ein interessantes und erfolgreiches Jahr. Die erste Pressevorführung (Der Medicus), die erste Buchrezension (Briefe an niemanden), eine regelmäßige Leserschaft zwischen 1500 und 2000 Lesern, viele Gewinnspiele und Aktionen. Das alles macht unglaublich viel Arbeit, aber auch wahnsinnig viel Spaß.
Da ist sie also, die nächste große Literaturverfilmung aus deutschen Landen. Da freut man sich als deutscher Rezensent ja auch gerne mal einen Ast ab. Und nochmehr freut man sich als armer Blogger wenn plötzlich die Einladung zur Pressevorführung im digitalen Postfach liegt. Also fix die Kopf & Kino Shorts (raffiniertes Crossmarketing!) angezogen und ab mit dem Zug nach Leipzig. Unterwegs möglichst oft UNAUFFÄLLIG mit dem Handy auf den eigenen Blog gehen und wenn das Handy bimmelt, ruhig melden mit "Kopf & Kino – Der kritisch-satirische Filmblog. Gryczke am Apparat". Man ist ja schließlich wer! Wer genau weiß noch keiner, aber erstmal groß denken. Für euch habe ich mich, mit meinem Zelluloidkamel, durch die karge Wüstenlandschaft Leipzigs gequält und habe mir 150 Minuten Epos ohne Pinkelpause verordnet: Der Medicus.
Story
Das 11. Jahrhundert. Zehen werden ohne Narkose amputiert, Zahnhygiene ist etwas für Turnbeutelvergesser und der kleine Rob Cole verliert seine Mutter an Bauchschmerzen. Ein paar Jahre später ist der Stöpsel zu Tom Payne herangereift, Lehrling von Stellan Skarsgard und hungrig nach noch mehr Wissen. Deswegen wandert der Jungspund auch alsbald nach Persien, verliebt sich unsterblich in eine Dame und beginnt seine Ausbildung zum Medicus unter Ben Kingsley. Zwischendrin gibts Pesttote und andere Heiterkeiten.
Das Kleine Gespenst | 92 Minuten | FSK 0 |
Deutschland, 2013 | Universum Film
oder:
Uhrenfetisch:
Der Film
Mitternacht
im beschaulichen Quedlinbur...äh Eulenberg. Die Turmuhr bimmelt vor
sich hin und auf Schloss Wernigerode...ach was...ähm...Schloss
Eulenstein und schon CGI`t sich Anna Thalbach als Das kleine
Gespenst durch den Riesenstaubspeicher, quackelt ein wenig mit
seinem Freund dem Uhu Schuhu (!) und feixt mit sprechenden Bildern.
Als dann plötzlich der kleine Karl, während eines nächtlichen
Schulausflugs, das quatschende Laken sieht, denken nicht nur seine
Eltern und Lehrkörper daraufhin, dass der Bengel ein ordentliches
Ding an der Zwiebel hat, sondern auch noch, dass Karl irgend einen
wertvollen Taschenchronographen geklaut hat. Das Gespenst wird
plötzlich schwarz, geistert tagsüber durch die City und irgendwie
sind Uhren verdammt wichtig.
oder: Mobbingopferreport
2013: Eine Geschichte voller Missverständnisse
Wir
kennen das alle:
Mitten
in der Pubertät. In der Schule ein Außenseiter. Daheim eine
religiös-fanatische Mutter. Und dann erwischts einen richtig. Nach
dem Sportunterricht will man sich nur mal anständig mit der
Kernseife zwischen den Beinen schubbern, plötzlich menstruiert man
am Boden liegend vor sich hin und bekommt von den Highclass-Bitches
diverse Damenhygieneartikeln an die Mütze. Der ganze Zirkus wird
dann auch noch gefilmt und per Social Media verbreitet. Klar, so`n
Tag brauchst Du wie ein Stein im Schuh. Und als ob das alles nicht
genug wäre bemerkst Du dann, stephenkingseidank, dass Du
telekinetisch begabt bist. Da würde ich aber auch die Turnhalle
zerlegen!
oder:Schlüpferstürmer 2: Same Shit, Different Place
Sich einem Rape`n`Revenge – Flick satirisch zu nähern ist immer so eine Sache. Schnell bekommt man den Vorwurf, der Thematik nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit gegenüberzustehen. Noch ehe er weiß was da eigentlich passiert, bekommt der Rezensent eine Alice Schwarzer – Biographie an die Murmel geschmissen. Dabei erstrahlt die Heldin, ein Wannebe-Model mit scheiß Menschenkenntnis namens Katie, auch diesmal wieder in blutigem Glanz (Spoiler? Not really!). Dass in I Spit on Your Grave 2 die Vergewaltigung extrem lang dauert, mehrmals wiederholt wird und sehr offenherzig inszeniert ist, mutet dann doch ein wenig over-the-top an. Vor allem wenn man in Relation dagegen setzt, dass die Bewegtbildschnipsel mit der blutigen Rache, zwar tatsächlich heftig sind – in einer Art und Weise, dass das eigene Gemächt vor Angst mitzittert – aber erschreckend kurz ausfallen. Wenn man im ersten Teil dem zerfickten Phönix bei der Wiederauferstehung aus blutiger Asche zugesehen hat, ist es diesmal ein gerupftes Huhn, das wie bekloppt auf den Eiern seiner Peiniger herumpickt.
Fazit
Schwer diesen Firlefanz als Sequel zu bezeichnen. Da die gleichen Charakterskizzen diesmal einfach andere Namen bekommen haben, würde man vermutlich eher von einem Rip-Off sprechen. Die meisten Szenen sind reiner Selbstzweck. Anders lässt sich ein Elektroschocker zwischen den Beinen und Hodenmus im Close-Up nicht erklären. So verkommt die Pseudo-Fortsetzung eines kontroversen Rape`n`Revenge - Films zu einem gewöhnlich-widerlich-heftigen Tortureporn.
Genrefans werden ohnehin einen Blick riskieren. Alle anderen dürfen überlegen ob sie sich Urinspielchen, verrückte Mütter und Elektropenetrationen geben wollen/müssen/dürfen/sollen.
In diesem Sinne,
BatterienAusElektroSchockerKlauendes Cheerio und viel Spaß bei Eurem nächsten Film